Der Boden unter Sabines Füßen fühlte sich nach wenigen Minuten wieder fest an. Warum sie sich von ihrer besten Freundin Tanja hatte überreden lassen mit dem Schiff von Athen nach Santorini zu fahren? The fuckin´ Gin Tonic an Marcs Geburtstagsparty hatte Schuld. Von wegen „Das wäre alles nie passiert ohne Prosecco“, bei dem hätte sie bleiben sollen. Sie hätte an dem Abend nicht mit Marcs Bruder rungeknutscht wie eine Gymnasiastin auf Klassenfahrt und dann nicht mit ihm in den Pool gestolpert und zum unfreiwilligen Youtube-Star in der Familygruppe von Michas Sohn Ben geworden. Danach hätte sie nicht im Bad mit Joe weitergeknutscht und, vor allem nicht, weitergetrunken. GT bis der Arzt kommt und die Erinnerung sich soweit weg diffundiert hatte, dass sie erst nach zwei Tagen wieder alle Puzzelstücke zusammengesetzt bekommen hatte, als in ihrem Mailpostfach die Bestätigung für den Segeltörn von Athen nach Santorini und weiter nach Kreta vorgefunden hatte.
Absagen konnte sie nicht mehr, Ehrensache.
Drei Tage Santorni lagen vor ihr. Es ging schlechter, die Insel mit ihren schönen Häusern, die Sonnenuntergänge in Oia und die Ehrlichkeit der Menschen hatten ihr schon immer gut gefallen, aber warum denn mit dem Boot, mit dem Segelboot hinfahren? Eines der letzten Puzzleteile die sich nie wieder zusammenfügen würden, es hatte etwas mit dem Pooldive zu tun den Joe und sie hingelegt hatten. Zum Glück hatte sie an dem Abend kein Höschen an, sonst wäre noch eines ihrer guten Teile hinüber gewesen. Der Verlust des drei Jahre alten Sommerkleides konnte sie verkraften.
Costas, ihr Taxifahrer hieß wirklich so…Es lebe das Leben im Klischee, brachte sie ins Hotel. Sie fiel in einen kurzen, tiefen und erholsamen Schlaf. Das erste Mal einschlafen ohne das etwas wackelte.
Als es an die Tür klopfte fühlte sie sich topfit und bereit für Fisch, Weisswein und einen Abend mit lauter Musik. Tanja und Joe standen grinsend vor der Tür, sie hielten Schampusgläser in der Hand und drängten sich an ihr vorbei auf den Balkon. „Geilste Aussicht, du bist die Gastgeberin für den Apero“ rief ihr Tanja lachend zu und machte es sich auf dem Deckchair gemütlich. Joe reichte den Schampus an und meinte Marc würde noch schnell was mit der Firma klären und dann kommen.
Nach zwei Flaschen Prickelwasser hatte Marc vier WhatsApp geschrieben und sich entschuldigt, dass es noch einiges zu klären gab im neuen Projekt und die Idioten es ohne ihn nicht hinbekommen würden. Alle wussten, dass er schlicht keinen Bock hatte und sicherlich mit Anna, seiner neuen Hobbyteilzeitgespielin, versuchte so etwas wie Telefonsex zu haben. Tanja nahm seine Spinnerein gelassen hin, sie hatte sich bestens damit und ihrer Freundin Sarah arrangiert. Marcs Company warf genug Geld für jede Menge Spaß ab. Die Kinder wussten von den Eskapaden ihrer Erzeuger und hatten sich frühzeitig eigene Wohnungen gesucht und machten ihr Ding, mit Daddys Kohle.
Sabine und Joe hatten seit dem Abend im Pool nicht viel miteinander gesprochen. Nach 40 Jahren in denen sie sich kannten, hatten es einmal passieren müssen, jetzt schämten sie sich beide wie Teenager. Der Champagner löste dann glücklicherweise etwas die Stimmung und Sabine gab den Befehl zum Aufbruch, denn wild vor sich hin stöhnenden Marc sammelten sie auch noch ein.
Coitus interruptus! Der Erste, nicht aber der letzte, wovon Marc aber noch nichts ahnen konnte, so wie keiner aus der gut gelaunten Truppe.
Costas hatte seinen zweiten Auftritt und brachte sie mit der gesamten Leidenschaft eines griechischen Taxifahrers, der drei Aufträge auf einmal abzuwickeln versuchte, zu einem Geheimtipp in der Nähe von Kamari. 30 Minuten mit Marc und Joe auf der Rückbank, weil Tanja sich den vorderen Sitz gekrallt hatte, mit der Begründung sie würde auch zahlen. Als ob die paar Euro ein guter Grund wären sie zwischen dem nach Samenstau riechenden Marc und dem nun leicht angeschwipsten und krabbeligen Joe zu platzieren.
Viel später, der Geheimtipp hatte sich wirklich als eine wahrhafte Perle unter den Restaurants der Insel herausgestellt. Ein junger Koch aus Dortmund hatte das elterliche Lokal im Pott verkauft, seine Schwester überzeugt anstatt weiterhin in Frankfurt als Sommeliere ihre Zeit mit langweiligen Geldsäcken ohne Geschmack zu vergeuden, in der Heimat ihrer Großmutter ein Crossoverlokal mit Topweinen aus Griechenland und Deutschland zu eröffnen. Zack, hatte funktioniert! Kochen konnte der junge Mann und seine Schwester wusste was gute Weine sind. Sabine hatte sich etwas abseits an den Strand gesetzt und genoss den leichten Windhauch. Ihre roten langen Haare streichelten sie am Rücken. Am Wasser, wenige Meter von ihr entfernt versuchte sich Marc an seinem Handy und an Anna, was irgendwie witzig aussah.
Joe und Tanja saßen geschwisterlich vereint bei einer Flasche Rotwein und genossen es unter sich zu sein. Sie hatte es immer genossen Einzelkind zu sein, aber wenn sie die beiden manchmal beobachte, dann trauerte sie schon etwas darum, dass sie keinen so natürlichen Vertrauten hatte.
Das Lokal leerte sich, Marc tobte im Sand und versuchte irgendwas in der Hand zu halten was er gleichzeitig mit der anderen Hand filmen wollte. Tanja und Joe tranken weiter und rauchten offenbar jeder eine Zigarre…sie würde noch etwas Zeit für sich haben.
Der Wind nahm etwas zu, es wurde frischer. Neben ihr tauchte Meike, die Schwester des Kochs auf, sie reichte ihr ein Glas Weisswein. Beide tranken vorsichtig und sahen sich kurz an, der Wein hatte eine wunderbare Fruchtigkeit, lag mit einer leichten Restsüsse am hinteren Gaumen und sorgte beim letzten Schluck für einen wohltuende Frische, etwas zitroniges blieb als Hauch im Mund zurück. Und nicht nur der Wein erfrischte sie. Meike legte ihr eine Decke um und nahm sie in den Arm. Dann küssten sie sich und ließen sich treiben, nicht lange, aber intensiv, der Strand gehörte kurz ihnen allein, dann rollte ein Brecher auf den Strand zu und gemeinsam mit der Gischt löste sich die erregende Anspannung ihrer Zungen. Als sie die Augen öffneten sahen sie einen klitschnassen Marc der seinen zweiten Coitus interruptus durchlebt hatte und sein Handy Poseidon opfern musste. Glücklich strich sie Meike durchs Haar und dann mussten beide lachen.
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