Wählen gehen. Früher bin ich gerne zur Wahl gegangen. Es fühlte sich ein wenig an wie das Hochfest der Demokratie. Das Volk, der Bürger, gibt seine Stimme ab und bestimmt wer in den nächsten Jahren, in seinem Sinne, unser Land regiert. „Zum Wohle des deutschen Volkes“, so steht es im Amtseid den die Bundesminister, der Kanzler und der Präsident ablegen.
Wählen gehen macht keinen Spaß mehr, es ist nicht mehr vergleichbar mit einem Hochfest der Kirche, es schleicht sich kein Gefühl mehr ein, wie es in der Osternacht über mich kommt, wenn aus der Dunkelheit das Licht zurückkehrt. Nichts von dem großartigen Gefühl der Demokratie mit seiner Stimme ihre Berechtigung gegeben zu haben ist mehr da.
Es ist ein Akt geworden. Eine Verpflichtung aus dem Recht wählen zu können eine selbstauferlegte Pflicht zu machen, in dem Wissen, dass eine nicht abgegebene Stimme auch eine Stimme für die Kräfte sind, welche gerne demokratisch an die Macht kommen wollen, damit sie dann die demokratischen Errungenschaften, mit ihren Stiefeln voll von antidemokratischen Dreck, treten können.
Vor dreißig Jahren durfte ich das erste Mal an die Wahlurne gehen und es fühlte sich gut an. Eine Entscheidung treffen zu können die etwas mit der Zukunft zu tun hat. Heute ist es im besten Sinne die Entscheidung das kleinere Übel zu wählen.
Die Parteienlandschaft ist verkrustet, das politische Personal ist überfordert und wenig nah an seinem Volk. Wer üppige Diäten bezieht und Menschen in monatelange Kurzarbeit schickt und ihnen dann noch Hilfen verspricht die gefühlt nie ankommen, der darf sich nicht wundern, wenn er keine Stimme mehr bekommt. Wer sich selbst bedienen kann wird sich immer zuerst bedienen, dies scheint das Motto vieler politischer Akteure geworden zu sein.
Es muss sich etwas ändern in unserem politischen System. Posten und Ämter müssen auf Zeit und begrenzt vergeben werden. 16 Jahre und mehr an der Spitze eines Staates sind keine demokratischen Vorzüge, es ist eher schädlich. Mehr als zwei Amtsperioden sollte es nicht geben, auch für Abgeordnete braucht es Limitierungen und vor allem Anreize auch wieder für normale Bürger sich in den Politikbetrieb einmischen zu wollen, ohne Jurastudium und Sozialpädagogenhintergrund.
Wählen gehen muss wieder Spaß machen und sich anfühlen wie eine machtvolle Handlung und nicht wie die Entscheidung zwischen zwei verfaulten Kisten Obst.
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