Früher versendeten Liebende ihre Briefe mit einem Kussmund gezeichnet und heute?
Dieser Frage geht ein Buch nach, in dem es nur um den modernen Liebesbrief geht, also etwas, was schon lange als ausgestorben gilt. Wer glaubt denn heute noch den wenigen Zeilen, die wir dahin hauchen, wenn uns die Ohnmacht der Liebe überkommt und wir unser Herz auf die Zunge legen und es durch den Füllfederhalter, inzwischen jedoch, durch den Tippfinger sprechen lassen?
Die moderne Fassung von „Liebe in Zeiten der Cholera“ ist das Buch „Du wirst mein Herz verwüsten“ von Morgane Ortin.
Sie hat die WhatsApp Nachrichten eines Liebespaars zu einem Roman zusammengefasst. Was trivial klingt, ist eine große Herausforderung, denn was soll aus der Banalität einer auf dem Mobiltelefon getippten Nachricht schon entstehen? Das Abbild einer großen Liebe? Genau dieser Frage geht die Autorin nach.
Wie kommt ein solcher Roman zustande? Eine Ansammlung von scheinbaren Belanglosigkeiten der Neuzeit als eine Hommage an die große Zeit der Liebesromane?
Nun! Wohl aus Leidenschaft an diesem Thema, denn dieser Roman macht einfach Lust auf die Liebe, so wie es schon Le Monde erkannt hat: „Dieser Roman macht uns Lust zu lieben.“
Zunächst würde man meinen, das Buch sei eine Beleidigung an jeden Buchautor, denn Morgane Ortin ist nicht nur klassische Buchautorin, sondern ebenfalls eine der erfolgreichsten Instagrammerinnen (Stand März 2020). Auf ihrem Insta Account @amours_solitaires sammelt sie die Liebesbotschaften unserer Zeit. Ortin fasst hier die emotionalen Tippleistungen anderer Menschen zusammen und macht einen Roman daraus. Quasi Up2date, nicht mehr und nicht weniger. Copy und Paste ist eines der besten Geschäftsmodelle der digitalen Neuzeit.
Zunächst würde man meinen, wer nichts selbst kreiert, hat den Namen Buchautorin nicht verdient. Kreiert sie mit den digitalen Inhalten Anderer ihre eigene Story? Sie lässt sie sprechen, fast wörtlich und folgt dabei dem Algorithmus der Liebenden, damit erschafft sie aus deren Worten einen eigenen Roman, der uns näher an diejenigen heranbringt die sich da ganz modern ihre Liebe zueinander gestehen.
Sie hat damit aus vielen einzelnen Nachrichten eine Botschaft gemacht. Es gibt ihn einfach noch, den guten alten Liebesbrief. Ehrlich, aufrichtig und solide warten wir auf diese eine Botschaft aus dem wahren Leben, die nicht mehr ist, als die Sehnsucht nach dem Stück gesalzenem Butterbrot unserer Kindheit.
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