Sie hatte sich eilig mit ihm verabredet. Wie so oft in den Wochen zuvor ein kurzer Absacker zwischen Bank und dem was sie als ihr Zuhause bezeichnete. Sie lachte mit ihm, trank mit ihm und versprühte den Zauber der die Männer in ihrer Nähe wie der Blütenstaub die Bienen anlockte.
Dämon der Vergangenheit
Gerade eben hatte sie ihn mit einem Kuss verabschiedet und sich eifrig für seine Freundschaft bedankt, da erschienen die vielen Nachrichten von ihrem Schatz auf dem Display. Eilig lief sie die Rue d´Antin entlang damit sie die Metro an der Station Pyramides bekommen konnte. Sie musste sich jetzt etwas einfallen lassen, denn Bruno durfte nicht wissen, dass sie sich mit ihm getroffen hatte. Immerhin schilderte sie ihn immer noch als Dämon der vergangen Tage. Da würde er es wohl kaum verstehen, wenn sie fröhlich mit ihm Champagner trank und dabei über die alten Zeiten und die neuen Tage plauderte.
Sein Appartment
In der Metro begann sie eifrig seine vielen Nachfragen zu beantworten, sie schmeichelte ihm und umschrieb wie schlimm erneut die Überstunden gewesen sein. Alles nur wegen des unfähigen Vorgesetzten der immer alle Arbeit auf sie ablud, aber bald sei sie ja bei ihm und würde sich an ihn kuscheln und mit ihm in seinem kleinen, aber feinen, Appartment in der Nähe der Avenue Foch ins Wochenende gleiten. Sie würde seine Küsse erwidern, seine Haut spüren und so gut zu ihm sein, dass er nicht nachfragen würde was ihn so misstrauisch gemacht hatte.
Die Mutter seiner Kinder
Sie lebte nun schon ein paar Monate mit Bruno zusammen, aber sie verriet es niemanden. Bruno verstand ihren Wunsch nicht immer, denn die ganze Bank sprach schon über ihre Tête-à-Tête, die vor einigen Wochen in heftige Rendezvous übergegangen waren. Für Bruno war die Eroberung dieser Frau der Gipfel, er hatte sie schon lange auf seinem Zettel gehabt und nach der ersten Nacht, in der sie sich ihm vollkommen und ohne jede Scham hingegeben hatte, wollte er sie nicht mehr loslassen. Sie war alles für ihn, die devote Hure die er hoffte erziehen zu können, die Mutter der Kinder die er sich immer wünschte. Noch nie hatte er in so tiefe und abgründige Augen gesehen, noch nie hatte eine Frau ihn so sehr verführt und für sich eingenommen.
Das Chauteau
Die Sonne lag auf ihrem Gesicht an diesem Morgen. Er blickte aus dem Fenster über die Anlage von Chateau de Varennes. Freunde hatten ihm diese Hochzeitslocation empfohlen, sie hatte begeistert zugestimmt. Nun lag sie da, zufrieden und glücklich hätte er sie sich gewünscht, aber sie lag versteinert auf ihrem Kissen. Ihre Lippen hart wie Stein, die letzte Nacht hatte nichts von dem gehabt was er bisher mit ihr erlebt hatte. Ihr Körper fühlte sich kalt an, ihre Haut wie unbearbeitetes Holz, ihre Augen warfen kein tiefgründiges Feuer mehr zurück, sondern nur noch die Kälte eines Bergsees am Ende des Winters.
Der blinde Spiegel
Als sie aufwachte sah sie in den großen Spiegel vor dem Bett und Bruno konnte im Fenster sehen was sie sah. Als ihr Blick den Spiegel traf wurde er blind und sie konnte kurz auf den Grund ihrer Seele schauen, ein schauriges, dunkles Verlies aus Lügen und Verrat blickte sie an, dann sah sie zu ihm herüber und ahnte nicht, dass er gesehen hatte was der blinde Spiegel gerade preisgegeben hatte.
Kälte
Am Horizont zogen erste Wolken auf. Gewitter und Regen hatte der Wetterdienst für diesen Morgen nicht vorhergesagt. Es wurde kalt und sollte nicht wieder wärmer werden in seinem Leben.
Bild: Adobe Stock
No Comments