Die DMEXCO ist die führende Messe der Digitalbranche, in Deutschland und Europa, wenn nicht sogar der Welt, wenn wir den Machern der Messe Glauben schenken. Sie hatte dieses Jahr 10-jähriges Jubiläum, denn 2009 fand sie das erste Mal als Nachfolgerin der OMD Düsseldorf (2000-2008) statt.
Für mich bedeutete dies, dass ich in diesem Jahr meine 18. Messe zum Thema Onlinemarketing absolvierte. Aufbauend auf dieser Erfahrung und vielen Gesprächen und gelesenen Facebookpostings und Tweets von Twitter habe ich die nachfolgenden Zeilen als mein persönliches Resümee verfasst.
Die Messe als ewige Baustelle und die Frage nach dem Sinn der Wege
Wer vom Bahnhof Deutz die DMEXCO betritt der müsste sich sofort in der Metaphorik der Baustelle wiederfinden, die dem Südeingang zu Füßen liegt. So wie diese Baustelle die Besucher der DMEXCO begrüßt, so verabschiedet sie einen auch wieder. Du betrittst dieses Messegelände mit seinen fast endlosen Wegen vom Bahnhof zu den Ständen und beginnst dir die Frage zu stellen was Du hier an diesem Ort eigentlich machst.
Wo steckt die Sinnhaftigkeit der Messe und ihrer Organisatoren die Hallen auszuwählen, die vom Bahnhof möglichst weit weg liegen, also jenem Ort, an dem die meisten Besucher dieser Veranstaltung ankommen.
Zwischen halbherzigen Sicherheitskontrollen und den ersten Lebenszeichen der DMEXCO müssen die anderen Besucher und ich die Ödnis der alten Hallen durchschreiten. Wir hoffen am Ende des Weges das berühmte Licht zu erblicken, in der Hoffnung darauf in den nächsten 48 Stunden die Zukunft der Digitalbranche zu sehen. Unter dem Leitmotto „Trust in you“ sollen sich viele erhellende Momente ergeben.
Vorab an dieser Stelle, an manchen Stellen ist es dunkel gewesen und wenig erhellend, ein wenig Vertrauen in sich selbst konnte da nicht schaden.
Sie glauben nicht an sich selbst

In der einen Halle kämpfen Start-Ups im deutlichen halbdunkel um die Aufmerksamkeit der Besucher, wobei wir wissen doch schon lange wissen „die im Dunkeln sieht man nicht“. Während die Zukunft ohne direktes Licht vor sich hin dümpeln darf, sind die hellen Strahler auf die Bühnen der diversen Halls und Rooms gerichtet auf denen sich in 30 minütigen Werbeblöcken die Stars der Branche aus fernen und nahen Landen produzieren dürfen. In diesem Jahr oft genug als Rockstars angekündigt, dürfen oder müssen sich Manager in weißen Turnschuhen den Fragen von coolen Moderatoren stellen, die sich auf dieser Messe ebenso wohl fühlen wie in einem Kölner Möbelhaus an einem regnerischen Novembersamstag. Die DMEXCO möchte eben doch auch ein bisschen OMR sein und verliert sich dabei vollkommen in der eigenen Orientierungslosigkeit.
Trust in you sieht anders aus.
Mit dieser Messe ist aus, denke ich mir nach wenigen Stunden
Es ist vorbei mit dieser Messe, denke ich mir nach wenigen Stunden! Die Tauben kacken auf die freien Flächen und an manchen Messeständen herrscht eine Leere, die man sich für AfD-Wahlkampfstände wünschen würde.
Während in der einen Halle die Gänge immer breiter werden, damit die Halle sich noch voll anfühlt, dürfen sich in der nächsten Halle weiß getünchte Regipswände als trennende Elemente eines Agenturkosmos präsentieren. Dort wo sich die Veranstalter wohl viele Fixsterne der Agenturszene gewünscht haben, kreisen sehr viele entfernte Kometen um eine Minispeakerfläche auf der sich verzweifelt um Talents bemühte HRler aus Agencys dafür feiern lassen, dass es eine Mittagspause gibt und Jobtickets angeboten werden. Trust in us, ist die Botschaft, wir sind geile Arbeitgeber.
Dazwischen steht irgendwo ein Elektroauto rum.
Wofür steht diese Messe noch? Nicht nur die DMEXCO muss sich diese Frage stellen, die IAA stellt sie sich ebenfalls und die CeBIT hat die Frage bereits vom Markt beantwortet bekommen. Eine Messe die sich wie ein Place to be der digitalen Eitelkeiten präsentieren möchte, aber schon lange nicht mehr genügend Strahlkraft für einen Hauch der gewünschten Erstklassigkeit aufbringen kann, wirkt dann eben an manchen Punkten eher wie ein Flohmark auf dem mal eben alle die DIGITAL buchstabieren können, auch einen Stand haben dürfen.
Die Schrebergärten der Vermarkterallianzen
Wo einst die großen Stände der Big Player wie Burgen in den Boden der Messehallen gerammt wurden, sind heute nur die Schrebergärten der Vermarkterallianzen zu finden, während sich die wahren Herren des digitalen Werbemarkts hinter ihren aus Unique-Logins genährten Großflächen verschanzen und sich am DSGVO-Lagerfeuer ins Fäustchen lachen.
Am Ende der zwei Tage voller Trust in you steht zwischen uns und der Heimfahrt nach Hause wieder die Baustelle, und hinter uns liegen unzählige Kaffee aus Pappbechern, in Plastik eingepackten Stückchen und nutzlose Werbegeschenke die in den Mülleimern auf eine Wiederverwertung hoffen. Nachhaltigkeit sieht anders aus, aber darum ging es hier ja nicht.
Sehen wir uns 2020?
Wir sehen uns in 2020 habe ich gelesen. Sicher? Auf den Bahnsteigen der Messebahnhofs gab es um 15 Uhr eine andere Botschaft – wir sind dann mal weg…..
Allen die auch in diesem Jahr an den Messeständen, als Mitarbeiter der Messe und als Dienstleiter dafür gesorgt haben, dass es trotz der beschriebenen Momentaufnahme für viele aus unserer Branche ein gelungener Event gewesen ist ein dickes Dankeschön.
In einigen Momenten fühlte es sich immer noch ein wenig wie ein Klassentreffen an. Vielleicht gewinnt die Messe wieder mehr an Wert wenn sich wieder ein stärkerer Fokus einstellt, einer der es denjenigen die nicht mehr kommen, erlaubt wieder die Sinnhaftigkeit eines Messebesuchs zu sehen.
Denn eins ist klar, das persönliche Gespräch, ist gerade in den Zeiten in denen Millionen von Euros an anonyme Saleseinheiten bei den Wallet Gardens durchgeschleust werden, wichtiger denn je. Denn wenn ich weiß wem ich auf der anderen Seite trauen kann, dann kann ich auch das Messemotto besser verinnerlichen.
2 Comments
Auf den Punkt!
Tacheles = meine Lieblingssprache.