Der neue Frankfurter IHK Präsident hat der FNP ein Interview gegeben, welches mich an manchen Stellen durchaus, als Mitglied der IHK und als Bewohner des Rhein-Main-Gebiets, erschrocken hat.
Der gesperrte Mainkai – schrecklich
An erster Stelle bin ich verwundert wie stark für Ulrich Caspar LKW und PKW immer noch die Verkehrsmittel sind, die eine Stadt attraktiv machen. Gleich zu Beginn des Gesprächs mit der Neuen Presse sieht er in der Sperrung des Mainkais einen Standortnachteil.
Aus meiner Sicht, und aus der vieler anderer Frankfurter, ist diese Sperrung für den Autoverkehr ein Segen. Es ist an dieser Stelle mitten in der Stadt einfach mal ruhig. Auch internationale Konzerne und Betriebe wissen in der Zwischenzeit den Erholungswert solcher Ruhepole in Städten zu schätzen. Ihm geht es wie immer um das Thema Anlieferung für Gewerbetreibende, was auch in dieser Zone geregelt ist. Der Verkehrskollaps, der wie so oft prophezeit wurde, ist bisher ausgeblieben.
Städte werden nicht attraktiv durch eine autoverliebte Infrastruktur, sie werden attraktiv durch belebte und lebenswerte Innenstädte.
Nur eine Autoinfrastruktur ist eine gute Infrastruktur

Für ihn ist gute Infrastruktur eine Autoinfrastruktur, auch wenn er sich Radschnellwege wünscht und einen S-Bahn-Ring um die Stadt. Schöne Ideen, die in anderen Metropolen bereits umgesetzt wurden oder werden.
Die Forderung nach einem Radschnellweg im Kettenhofweg ist aber eigentlich nur dazu dann, damit aus seiner Sicht die Bockenheimer Landstraße weiterhin ein mehrspuriges Autoparadies in der Stadt bleibt.
Wenn Herr Caspar einen Autobahnausbau fordert, sich wünscht das es einen Fernbahntunnel gibt und, wie oben geschrieben, eine Ringbahn rund um Frankfurt, dann darf sich der verdutzte Leser fragen was er denn als CDU-Abgeordneter so bisher politisch in diese Richtung vorangetrieben hat. Meine Recherche dazu ergab: Nichts bis wenig.
Warum Start-Ups nicht nach Mainhatten kommen
Auf der anderen Seite bedauert er, dass es in Frankfurt wenig Start-Ups gibt. Da ich mich beruflich viel in Berlin aufhalte und auch regen Kontakt zu Start-Ups habe, kann ich Herrn Caspar nur sagen, dass es in Berlin sicherlich günstigere Mieten und eine andere Entlohnungsstruktur gibt, diese aber auch von der gesamtwirtschaftlichen Situation beeinflusst wird und auch diese Preise, wie von ihm angemerkt, steigen. Dennoch ist Frankfurt für viele Mitarbeiter aus Start-Ups nicht attraktiv, da sich das gesamte Umfeld preislich an den hier in Frankfurt dominierenden Unternehmen orientiert. Bin ich in Berlin, dann sinken meine Kosten für Essen und Trinken spürbar, kommen Kollegen aus Berlin nach Frankfurt dann schütteln sie oft den Kopf über das, teilweise wirklich unverschämte, Preisniveau.
Was Mitarbeiter und Gründer aber auch suchen, ist eine lebenswerte Stadt.
Frankfurt mit seiner Politik des jahrelangen „Auto first“ und der daraus resultierenden schlechten ÖPNV-Infrastruktur, die auf der anderen Seite auch noch ähnlich unverschämt teuer ist wie die oben angesprochenen Preise in der Gastronomie ist in großen Teilen das Gegenteil davon. Eben dieses Gegenteil möchte Herr Caspar offenbar bewahren.
Schaut auf diese Städte!
Städte wie Kopenhagen, Amsterdam oder Barcelona zeigen wie es geht als Stadt attraktiv zu sein und andere Verkehrsmittel als das Auto zu bevorzugen.
In diesen Städten gibt es, ebenso wie in Berlin, starke Start-Up-Szenen, denn junge Menschen wollen heute lieber einen gesperrten Mainkai, macht die Stadt lebenswert (wie bereits gesagt) und faire Preise für den öffentlichen Nahverkehr.
Ulrich Caspar spricht im Interview davon, dass sich die Menschen in ein paar Jahren darüber beschweren würden, weil niemand die Infrastruktur zukunftsgerecht gestaltet hat. Er meint damit eine autogerechte Zukunft, die Menschen die sich beschweren werden, werden sicherlich nicht darüber reden, sondern über die verpassten Chancen Autos und LKW aus den Städten zu verbannen, und andere Lösungen zu finden. Die Infrastruktur der Zukunft ist eine andere als die des IHK-Präsidenten. Er ist hier ganz klar auf seinem ganz persönlichen Auto-Irrweg unterwegs.
Bild: IHK Frankfurt und Adobe Stock
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