Markus Feldenkirchen, gerade aus den USA zurück, fragt bei spiegel.de was aus unserem Land geworden ist.
Er stellt drei Beispiele in den Mittelpunkt seines Kommentars.
In ein Land, in dem der Journalist Helmut Schümann mitten im ach so bürgerlichen Berlin-Charlottenburg von hinten mit den Worten „Du linke Drecksau“ niedergeschlagen wurde, weil er tags zuvor in einer Kolumne die kritische Frage „Ist das noch unser Land?“ aufgeworfen hatte.
In ein Land, in dem die Kandidatin für das Amt der Oberbürgermeisterin von Köln mit einem Messer lebensbedrohlich verletzt wurde, weil dem Täter ihre Flüchtlingspolitik nicht passte.
In ein Land, in dem wie am Wochenende in Magdeburg 30 Deutsche syrische Flüchtlinge mit Baseballschlägern jagen und verprügeln.
Statt diskutieren, lieber die Fresse polieren
Es sind drei Beispiele die tatsächlich zeigen wie sehr die Gewaltspirale sich immer schneller dreht. Anstatt zu diskutieren geht es um stumpfe Gewalt und darum den (politischen) Gegner durch Beleidigung herabzusetzen.
Auslöser sind nun, vermeintlich, die Flüchtlinge, die sich immer schneller drehende Spirale der gesellschaftlichen Veränderung, die Wurzeln die einem von der political correctness ausgerissen werden und die immer größer werdende Lücke zwischen dem was Politiker und Eliten sich wünschen und was wirklich auf den Strassen und Plätzen passiert.
Die Unsicherheit und Unzufriedenheit vieler Menschen bahnt sich nun ihren Weg auf den Demos der Rattenfänger namens Pegida, NPD und AfD. Dort finden sie das Gehör, welches ihnen über viele Jahre verwehrt wurde, weil ihre Sorgen von der Politik mit immer neuen sozialen Einrichtungen wegsozialarbeitert wurden.
Was ist aus unserem Land geworden?
Eine gute Frage, denn was wird aus einem Land in dem es schon Erbgenerationen von Transferleistungsempfängern gibt. In dem eine politische Wiedervereinigung einen nicht geringen Teil der Bevölkerung mit den Herausforderungen des, wenn auch sozialen, Kapitalismus alleine gelassen hat. In dem eine Partei die früher für Unterdrückung und Schießbefehl stand weiterhin gegen die Demokratie hetzen durfte, es sich aber ihre Eliten, ähnlich wie früher in Wandlitz, nun in den Betroffenheitstalkshows dieses Landes wohlig eingerichtet haben, während in manchen Teilen des gleichen Landes die Schulen und Kindergärten verrotten, die Polizei immer kleiner gespart wird.
Was ist mit diesem Land? In dem es auf der anderen Seite Weltmarktführer in unglaublich vielen Branchen gibt, in dem sich der deutsche Mittelstand gegen die Giganten aus der Staatswirtschaft Chinas behaupten kann. In diesem Land gibt es ausreichend Steuermittel um die Finanzwelt mit genügend Geld zu versorgen, damit sie nicht systemrelevant in sich zusammenfällt, aber offenbar nicht genug Geld um der Generation Hartz ein Gefühl von Sicherheit zu geben.
Und es ist eben nicht mehr nur die Generationen von Sozialhilfempfängern, sondern langsam beginnen auch die Schichten darüber sich zu fragen, ob das alles wirklich so geht und wer die Zeche dafür zahlen muss.
Die wohlhabende Oberschicht hat sich längst steueroptimiert vom Sozialstaat verabschiedet, dies darf ihnen niemand vorwerfen, denn sie nutzen nur die Rahmenbedingungen die ihnen angeboten werden. Nur sie werden demnächst nicht um ihren Arbeitsplatz bangen müssen oder von Kürzungen bei Zuwendungen betroffen sein. In ihrer Straße wird die Polizei nicht weniger oft Streife gehen können, weil nochmal umgeschichtet und gespart werden muss. Ihr Sicherheitsgefühl bleibt erhalten.
Die neuen Asozialen – warum sollten sie uns zuhören?
Markus Feldenkirchen nennt sie in seinem Artikel die neuen Asozialen. Das ist aus unserem Land geworden. Ein Land in dem sich der gut gebildete Spiegelredakteur, frisch von der Kulturfrische aus den USA zurückgekehrt, die Augen wischt und diejenigen die zu einem Teil der Bevölkerung gehören die sich schon über Jahre keinen Spiegel mehr leisten kann, als Asoziale beschreibt.
Politiker nennen sie Pack oder Nazis. Redakteure eben Asoziale. Warum sollten diese Leute uns zuhören? Denjenigen die aufgrund von Bildung, Herkunft oder aus sonstigen an den, manchmal Haaren herbeigezogenen, Gründen mehr Verständnis, weniger Angst und dadurch mehr Offenheit für Veränderung aufbringen können.
Manchmal muss man sich es leisten können, Veränderungen zu akzeptieren und als Chance zu sehen. Wir haben in Deutschland diese Teile der Bevölkerung, die dies nicht können oder nicht können wollen, über Jahre ausgeblendet, sie als Protestwähler abgetan und uns damit herausgeredet, das wir das schon in den Griff bekommen.
Und jetzt? Jetzt geht es uns wie dem Lehrling beim großen Hexenmeister, wir werden der Situation kaum noch Herr. Während die einen schießen lassen wollen, antworten wir mit Beschimpfungen. Dass dann der Weg nach Weimar nicht mehr weit sein muss, ist kein Geheimnis.
Diejenigen die schon immer Führers Geburtstag als Tag der Wiederauferstehung ihres Herren gefeiert haben, werden wir nicht überzeugen können, aber diejenigen die jetzt mitlaufen; sei es aus Angst, aus Frust oder einfach nur um des Mitlaufens willen, die können wir mit Argumenten überzeugen und nicht in dem wir sie beschimpfen.
Markus Feldenkirchen hat sicherlich Recht, wenn er von Verrohung spricht, aber die Elite dieses Landes wird in ihrer Sprache auch immer mehr Straßenkämpfer statt Dichter und Denker.
Bild: Krizek Vaclav / Shutterstock.com
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