Am Ende gab es wohl auch ein paar Tränen über den nicht erreichten Titel bei den drei Aspirantinnen die es nicht unter die Finalistinnen geschafft haben. Das ist verständlich, denn die Anspannung dürfte bei allen Kandidatinnen groß gewesen sein. Nicht zu verachten auch der Druck der durch die mitgereisten Fans und die Funktionäre aus den eigenen Regionen entstanden ist.
Dieser Druck und die Erwartungen beweist wie wichtig für viele aus der Weinbauszene und ihren Verbänden die Titel der Deutschen Weinmajestäten sind. Der fränkische Verbandsvorsitzende poltert seit einigen Tagen durch die heimische Presse und prangt das Wahlverfahren an. Ein wenig erinnert er damit an die Äußerungen nach einem ESC-Abend bei dem mal wieder „kein bisschen Frieden“ herrschte und Deutschland mit null Punkten aus der Nachbarschaft bedacht wurde. Hier ist auch immer das Verfahren und nie das Lied schuld. Mit seiner Vermutung sein Weinanbaugebiet würde durch die starken Rheinland-Pfälzer benachteiligt liegt er übrigens nicht richtig, denn die Franken liegen auf Platz 3 beim Alltimeweinqueenranking.
Die fränkische Weinkönigin hätte, wie alle anderen 11 Kandidatinnen auch, eine Chance auf das Finale gehabt, aber am Ende hat ihre individuelle Klasse nun einmal nicht gereicht, dies ist so und dabei sollte man es auch belassen, denn ansonsten beschädigt man seine eigene Königin mehr als es ihr und der nächsten fränkischen Kandidatin nutzen wird.
Meinen Eindruck vom Vorentscheid, bei dem es primär um Weinwissen und den Umgang auch mit englischen Fragen ging, habe ich bereits geschildert und muss gleich anmerken, dass mir beim Finale das Thema Wissen einfach zu kurz gekommen ist.
Das Vorspiel
Die Wahl zur 67. Deutschen Weinkönigin beginnt nicht einfach mit der Live-Übertragung im SWR, sie beginnt früher und leider werden Teile dieses Vorspiels nicht in die Livesendung übernommen, obwohl es kein Fehler wäre.
Ich meine nicht die Begrüßungsrede des Neustädter OB, der seine Stadt als Paradies sieht ohne die es keine hellen Momente in der Welt geben würde, sondern von einem so wichtigen, und ebenso sympathischen, Programmpunkt wie der Verabschiedung der scheidenden Majestäten durch Monika Reule (Gf. des DWI).
Es wäre sinnvoll gewesen ihre kluge und empathische Rede gegen den unappetitlichen und aus der siebziger Jahre Mottenkiste stammenden Auftritt einer Frau Vanessa Backes auszutauschen. Die Zuschauer im Saal und vor den TV-Geräten wären so in den Genuss einer Zusammenfassung des zurückliegenden Regentschaftsjahres gekommen, bei dem Weinkönigin Janina Huhn als Mischung aus Kleopatra, Johanna von Orléans und Elisabeth I. für den deutschen Wein gestritten hat. Nicht minder sind die Leistungen der beiden Weinprinzessinen Kathrin Schnitzius und Judith Dorst von Monika Reule gewürdigt worden.
Das Trauerspiel oder der SWR nennt es Finale
Das Finale beginnt mit dem unwürdigen Auftritt oben beschriebener Vanessa Backes, die sich von Moderator Holger Wienpahl bei der Suche nach ihrer Handtasche helfen lässt. Mir gefriert fast das Blut in den Adern, denn ich fühle mich in einer Art Zeitmaschine zurückversetzt in die 80er Jahre, als die dritten Programme noch die Ergänzung zu ARD und ZDF darstellten und damals wie heute als Mittel zur Ruhigstellung in Altersheimen eine rezeptfreie Anwendung fanden. Sollte es etwas so weitergehen?
Nicht ganz, denn uns werden die sechs Kandidatinnen von einem gut gelaunten Moderator vorgestellt und auch die Fans sorgen, wie beim Vorentscheid, für Stimmung im leicht überhitzen Saalbau von Neustadt (es mag sein, dass Neustadt das Paradies ist, aber eine Klimaanlage die funktioniert könnte es noch paradiesischer machen).
Wir lernen die Kandidatinnen noch einmal über kleine Filmchen kennen, also zumindest diejenigen die diese Einspieler noch nicht von der Vorentscheidung kennen.
Die erste Prüfung, welche die Kandidatinnen zu absolvieren haben lässt mich weiter durchatmen, denn es kommt eine Art PowerPoint-Karaoke, nur das sie anstatt ein paar unbekannte Folien präsentieren zu müssen, eine Begrüßungsrede vor einem ihnen unbekannten Publikum halten dürfen und dazu vier Begriffe eingeblendet bekommen die in die Rede eingebaut werden müssen.
Hier zeigt sich die Schlagfertigkeit der sechs Kandidatinnen und wie gut sie sich teilweise mit lokalen Festen und Gebräuchen auskennen. Es geht von der Wies´n, über den Kölner Karneval bis zu den Highland Games.
Der Kölner Karneval sorgte, angeblich laut Mainpost aus Franken, für ein kleines Skandälchen, denn dort heißt es über die Kandidatin der Hessischen Bergstraße:
„Insbesondere an Letzterer schieden sich die Geister: Es gab Beifall und Gejohle im Saal, als sie bei der Aufgabe, eine Begrüßungsrede im Kölner Karneval zu halten und den Begriff „Jungfrau“ einbauen musste, lächelnd sagte: „Jungfrau bin ich leider nicht mehr.“ Vor allem beim weiblichen Publikum war sie damit untendurch. „So etwas geht gar nicht“, fand etwa Bürgermeisterin Doris Klose-Violette aus Ippesheim.“

Das Rheingau T-Shirt für das Finale. Dies hätte ob seiner Aussage Doris Klose-Violette wohl auch sprachlos gemacht.
Nun ja, in der heutigen Zeit halte ich es für kein das Publikum fassungslos machendes Geständnis einer jungen, attraktiven Frau, wenn sie sagt sie sei keine Jungfrau mehr. Ob sie dies unter anderen Umständen vor einer Vielzahl unbekannter Menschen getan hätte, bezweifele ich, aber ein Skandal ist es aus meiner Sicht nicht, höchstens einer für die aus Franken kommende Bürgermeisterin Doris Klose-Violette, die auch noch 1. Vorsitzende des Weinparadies Franken ist, also der Region aus der die in der Vorentscheidung unterlegene Kristin Langmann kommt. Die Frauen die ich in meiner direkten Sitznähe hatte, haben auch eher freundlich gelacht, als beschämt auf den Boden geschaut. Alles eine Frage der Sichtweise!
Den Begriff Jungfrau aus der Aufzählung herauszunehmen, wie von der Fränkischen Weinkönigin vorgeschlagen, halte ich nicht für besonders sinnvoll, denn die Jungfrau (von einem Mann in Persona umgesetzt) ist eine der zentralen Figuren des Kölner Karnevals.
Caroline Guthier hätte noch eine Möglichkeit gehabt aus dem Jungfrauendilemma heraus zu kommen, in dem sie wie die Badische Weinkönigin, und jetzige Regentin des Deutschen Weins, einfach einen der vier Begriffe nicht mitgenommen hätte. Was Josefine Schlumberger in diesem Moment übrigens ziemlich unsicher erscheinen ließ und sie somit diese Aufagbe auch am schlechtesten löste.
Getrübt wurde diese Spontanitätsprüfung nur durch den kurzfristigen Selbstmord der Sendung durch den Auftritt von Vanessa Backes (hier ab Minuten 23.45). Es ist für mich nicht nachvollziehbar wie in einer Sendung bei der es um das Produkt deutscher Wein geht, der sich in den letzten Jahren auch unter Mithilfe des DWI und seiner Repräsentantinnen, vom Image der siebziger Jahre mehr als erholt hat und mit der Generation Riesling ein modernes Image bekommen hat, eine so dümmliche Parodie auf den Gesundheitswahn platziert werden konnte. Vanessa Backes und ihr Auftritt sind die Gründe warum manche Zuschauer, Weintrinker und Weinexperten das Amt der Weinkönigin für ein Relikt aus der Steinzeit halten. Der SWR hat mit diesem Auftritt dem deutschen Wein und der Wahl der Deutschen Weinkönigin einen Bärendienst erwiesen. Wie bereits erwähnt wäre die Rede von Monika Reule an dieser Stelle ein Gewinn gewesen. Es muss ja nicht gleich Joyce Ilg sein, wobei zehn Arten von Weintrinkern als Kurzspot (Beispielspot) hätten auch etwas gehabt, aber vielleicht ein Programmpunkt bei dem die Ironie als Ironie und nicht als „Erdbeersahne-Stadel“ daherkommt.
Die Cuvéeprobe
Im Finale kam das Thema Fachwissen etwas zu kurz, aus meiner Sicht, aber immerhin mussten die Kandidatinnen tatsächlich auch noch Wein probieren und aus zwei reinsortigen Weinen, das dazugehörige Cuvée zuordnen. Dafür hatten sie 45sec. Zeit und mussten eine Scheurebe und einen Müller-Thurgau als reinsortig erkennen und dann eben erkennen in welchem Glas das „Kind“ steckt.
In einer Halle mit relativ schlechter Luftzirkulation, Temperaturen die an den letzten Sommer Erinnerungen wach werden ließen und in der Kürze der Zeit eine verflixt schwere Aufgabe, bei der alle Kandidatinnen scheiterten, mal mit etwas mehr Anlauf und manche knapp am Ziel vorbei.
Dies machte es der Jury nicht einfach für die kommende Entscheidung.
Michael Schanze fehlte
Nach der Weinprobe wurde wieder etwas tiefer in die Spielshowarchivkiste gegriffen und es wurde ein Ratespiel unter dem Motto „Sag die Wahrheit“ aufgeführt. An dessen Ende ich mir Michael Schanze auf die Bühne gewünscht hätte, denn der hätte wenigstens authentisch „Ob ihr Recht habt oder nicht, sagt euch gleich das Licht“ sagen können.
Diesen Part der Königinnenprobe hätte intelligenter und moderner gestaltet werden können, aber dennoch stellten die Kandidatinnen auch hier die Jury vor eine schwere Entscheidung, denn keines der Queenteams konnte die Lügner entlarven. Hier galt es die, teilweise clevere Fragetechnik, als Bewertungsgrundlage heranzuziehen.
Keine Spreu vom Weizen
Nach dieser Runde musste die Jury, ich meine unterbrochen von einem Schweizer der einen fliegenden Fisch präsentierte, sich für die drei Damen entscheiden die um das Amt der Weinkönigin kämpfen würden. Dabei galt es definitiv nicht die Spreu vom Weizen zu trennen, sondern es mussten die ausgewählt werden die in einem sehr dicht beieinander liegenden Feld die Nasenspitze etwas weiter vorne hatten. Eine nicht einfache Entscheidung für meine Jurykollegen und mich, offenbar so schwierig, dass selbst am nächsten Tag im Hotel beim Frühstück noch eifrig darüber gesprochen wurde.
Baden, Bergstraße und Rheingau konnten dann noch mit ihren Weinköniginnen auf die Krone des deutschen Weins hoffen.
Die Entscheidung wurde in einem weiteren Ratespiel gesucht, bei dem der SWR auf das Konzept von Dingsda zurückgriff. Auch bei dieser Umsetzung setzte sich der SWR keine Krone auf, vielmehr hatte wohl erneut ein Redakteur im Handbuch für Lach-/und Sachgeschichten nachgeschlagen und im Kapitel Acht „Prominenten lustige Sätze in den Mund legen“ ergänzt durch Kapitel Elf „Dialekte nachäffen“ sein Heil gesucht und es dem Publikum und den drei Kandidatinnen aufgetischt. Eine solche Vorgehensweise ist in den Zeiten von Youtube & Co. schlicht und einfach einem öffentlich-rechtlichen Fernsehsender unwürdig und, ich wiederhole mich, nicht zeitgemäß. Vor allem wenn die Weinkönigin auch einem jungen Publikum Wein schmackhaft machen soll. Die Zielgruppe die der SWR mit diesem Format angesprochen hat, haben in ihrem Leben sicherlich schon ausreichend Wein in den unterschiedlichsten Güteklassen in sich aufgenommen.
Die Generation Mixgetränk lockt damit niemand vom Smartphone weg.
Die letzte Möglichkeit die Jury von sich zu überzeugen hatten Josefine, Katharina und Caroline in dem sie ein Projekt vorstellten für das sie gerne ehrenamtlich tätig werden.
Aus meiner Sicht punktete hier die Hessische Bergstraße mit dem authentischsten Projekt: therapeutisches Reiten, ein Thema, welches Caroline Guthier offenbar wirklich am Herzen liegt, denn es zog sich wie ein roter Faden durch ihre persönlichen Momente.
Josefine vor Caroline und Katharina
Am Ende entschied sich die Jury für Josefine aus Baden und die beiden hessischen Königinnen sind nun Deutsche Weinprinzessinen. Alle Drei haben nun ein anstrengendes und herausforderndes Jahr vor sich. Ein Jahr in dem sie den deutschen Wein weltweit mit ihrem Charme, ihrem Wissen und auch ihrem Auftreten repräsentieren. Dem deutschen Wein ein Gesicht zu geben ist eine wichtige Aufgabe in einer Zeit in der alles mal eben schnell am Rechner erledigt werden kann. Dem DWI kann ich nur, so wie in meinem Artikel zur Vorentscheidung, zu seinem Mut gratulieren diese wichtige Aufgabe in die Hände von drei jungen Frauen zu legen. Damit ist der Deutsche Wein schon heute viel weiter als manche andere Branche, in der die Zukunft zu oft in den Händen der Vergangenheit liegt.
Es ist übrigens auch egal, ob die Deutsche Weinkönigin aus Franken, Sachsen oder der Pfalz kommt, denn sie repräsentiert nun den deutschen Wein und nicht mehr ihre lokalen Reben.
Bilder: DWI und blogg.de/meiersworld.de
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[…] ansonsten kritisiert er die Dinge die nicht in der Hand des DWI liegen und auch schon in der Vergangenheit kritisiert wurden. Immerhin hatte sich das Bühnenprogramm im Finale im Vergleich zum Vorjahr deutlich […]