Vielleicht ist das überhaupt das Wesen der Arbeit: Dass sich stets – so schön diese Arbeit auch sein mag – eine zweite Person in einem regt, die nicht arbeiten will. Und fehlt dieses Nichtwollen in einem drin bei einer Tätigkeit, dann handelt es sich nicht um Arbeit.
Mit der deutschen Sprache können manche Autoren derat filigran umgehen, dass der Leser seine eiegen Sprache vollkommen neu erleben kann. Mit Unternehmer, erschienen bei Rowohlt, ist Matthias Nawrat ein solches Meisterstück gelungen.

Unternehmer von Matthias Nawrat
In seinem Buch geht es um Lipa. Die ist dreizehn, und sie ist Mitarbeiterin des Monats in einem Familienunternehmen der besonderen Art. Gemeinsam mit dem Vater und ihrem kleinen Bruder, dem einarmigen Berti, durchforstet sie die Industrieruinen der Schwarzwaldtäler nach verwertbaren Stoffen, Tantal und Wolfram etwa, denn die, sagt der Vater, «werden uns besonders reich machen».
Er sagt: «Heute ist Spezialtag.» Und: «Schmerzen müssen wir ertragen können. Das ist das Gesetz des Unternehmertums.»
Davon, aber auch von Lipas Liebe zum langen Nasen-Timo, vom Aufbegehren und von den unvermeidlichen Verschiebungen im Familiengefüge erzählt Matthias Nawrat in kaum je gehörten Sätzen.
Kein Twitterbuch
In einer Zeit in der versucht wird die Welt auf 140 Zeichen zu reduzieren sind Sätze wie der am Beginn dieses Beitrags ziemlich schwere Kost, aber solche Sätze haben mehr mit unserer Sprache zu tun, als das heute als moderner sprachlicher Umgang verstanden wird.
Der Rowohlt-Verlag beschreibt dies so: «Unternehmer» sucht nach dem Wert und dem Wesen der Arbeit, der Familie, der Liebe, überhaupt der Beziehungen untereinander und berichtet davon mit den Mitteln der Poesie: witzig, warmherzig und auch weise. Dass Matthias Nawrat als Erzähler die Menschen kennt, als Naturwissenschaftler aber auch die Dingwelt und ihre Gesetze, hält dieses Unternehmen mühelos am Boden der Tatsachen.
«Ein grandioser Auftakt», befanden Jury und Publikum des Bachmann-Preises über das erste Kapitel dieses abenteuerlichen Coming-of-Age-Romans, der zugleich Parabel ist auf die Welt der Werktätigen und eine dunkle Liebeserklärung an den Schwarzwald.
Der (Alp)-Traum vom Unternehmertum
Im Kern ist Unternehmer ein Buch in dem wir anhand der Protagonistin Lipa, die lieber zur Mitarbeiterin des Monats gekürt wird, als zur Schule zu gehen, sehen können wohin die verinnerlichung des Kapitalismus führen kann. Ein gnadenloser Wettbewerb bei dem die sich durch die Landschaft sprengenden Mitbewerber als erfolgreicher herausstellen, der eigene Körper doch das Maß aller Dinge ist und die Schule nur ein Hort an dem Arbeitslose ihre Zeit verbringen, weil sie keinen Arbeitsmut haben.
Lipa ist 13 und ihre Familie ist ein Unternehmen, aber keines der schönen in Glaspalästen sitzenden, sondern ein typisches Familienunternehmen, bei dem der Raubbau an den eigenen Kräften die Familie ernähren muss. Eine Form des Kapitalismus, der in wagemutigen Sätzen beschrieben wird, aber am Ende muss auch Lipa erkennen, dass aus dem kindlichen Spiel schnell bittere Ernst werden kann und das Unternehmertum auch ein Alptraum sein kann. An manchen Stellen könnte man sich auch in einem klassischen Start-Up wähnen….
„Was soll das sein, freie Zeit?, fragt Vater. Zeit, in der ich unternehmensfreie Dinge machen kann, sage ich. Was willst du machen?, fragt Vater. Topsecret, sage ich, und Vater sagt: Heute ist Spezialtag, du bist Assistentin.“
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