(pm) Meine erste Frankfurter Buchmesse habe ich 1992 besucht. Ein Besuch der „Heiligen Hallen“ gehörte damals im Rahmen meiner Ausbildung zum Verlagskaufmann dazu. Damals gab es in Frankfurt noch den halben Buchmessemontag, an dem manchmal Bücher verkauft wurden. An einem dieser Buchmessemontage kaufte ich mir ein Exemplar des damals tatsächlich auf dem Index stehenden Romans „American Psycho“ von Breat Easton Ellis.
Das Hochamt der Buchbranche
Vom Verlag in der Frankenallee zu Buchmesse konnte man damals, wie heute, zu Fuß gehen. Nur damals gab es noch kein Europaviertel, aber dafür den Güterbahnhof und eine S-Bahnstation Messe gab es auch nicht. Die Buchmesse gelt als die Messe in Frankfurt, neben der IAA und das pastorale Hochamt der Bücherschau ist und bleibt die Verleihung des Friedenspreis des deutschen Buchhandels in der Paulskirche. Wie es sich zu einem Hochamt gehört, gibt es am Ende sogar eine Abendmahlfeier mit Wein, allerdings als gediegener Mittagstisch im Frankfurter Hof. Dies hat sich bis heute nicht geändert.
Das Ende der Buchmesse beginnt am Sonntagvormittag mit dem feierlichen Festakt in der Paulskirche, hier wird hohe literarische Kunst geehrt und manchmal politische Signale gesendet. Vor einigen Jahren wurde an den Beginn der Buchmesse die Verleihung des Deutsche Buchpreis gesetzt. Der Buchpreis ist eine Art kleiner Bruder des Friedenspreis. Noch etwas flegelhafter und nicht ganz so hochtrabend wie der Friedenspreis, eben etwas mehr am Endkonsumenten ausgerichtet.
Fünf Tage volles Programm
Dazwischen liegen fünf Tage volles Programm in und um die Messehallen, davon dürfen an zwei Tagen auch die normalen Leser in die Hallen einrücken. Mancher Verleger nennt diese Tage auch die Beutelrattentage, wobei diese Bezeichnung keine explizite Erfindung der Buchleute ist, sondern auf fast jeder Messe als verächtliches Synonym für die Nichtfachbesucher einer Messe vom Standpersonal verwendet wird.
In der Zeit von 1992 bis heute hat sich die Verlagsbranche einem wahnsinnigen Wandel unterwerfen müssen, aber ist davon in den Hallen so viel zu spüren?
Bücher sind Geschichten, Abhandlungen, Anleitungen, Rezepte, Bilder auf gedrucktem Papier. Sie verbrauchen unglaublich viel Platz im Regal, es müssen Bäume gefällt werden und viele Autoren und Verlage leben von diesem eher schlecht als recht. Die großen Publikumsverlage mit den großen Autoren gelten als Leuchttürme einer Branche und dort finden an den Ständen auch meist die größeren Standpartys statt. Der Wandel der Branche lässt sich an der Qualität des Weins ableiten, er wird eigentlich eher schlechter als zumindest auf gleicher Qualitätsebene. Es muss eben gespart werden, denn der Wandel der Branche zeig auf jeder Messe seine fiese Fratze in Form dieser kleinen Stände auf denen sich „selfpublisher“ und „eBook“-Verlage präsentieren.
Digitales braucht weniger Fläche
Diese Form der verlegerischen Tätigkeit kommt mit weniger Standfläche aus und wird von vielen Journalisten des Feuilleton noch gemieden, denn sich selber publizieren und Bücher im digitalen Format sind nichts für Traditionalisten und sowieso ist der ganze digitale Kram nur eine Art Selbstausbeutung. Früher hießen die Freibeuter auf dem Meer der Bücher Zuschussverlage und die machten gutes Geld damit einem sehnsuchtsvollen Autoren seinen Wunsch nach einem eigene Roman zu ermöglichen, nur eben mit seinem eigenen Geld. Wer also von Ausbeutung von Autoren im digitalen Zeitalter spricht schaut nicht gerne in die Vergangenheit in der immer alles besser gewesen ist und die Brötchen billiger. Wobei sich das Feuilleton hier treu bleibt, denn die Autoren der Zuschussverlage brachten es auch nie in auf die heiligen Seiten der Kulturredaktionen der Tageszeitungen.
#arenaforbooks auf der #fbm14
Das die Zukunft sich wandelt und daher eine Baustelle ist wurde jedem Besucher vor Augengeführt der sich in Halle 3.1 aufgemacht hat und dort einen Blick in die #arenaforbooks geworfen hat. Hier wurde im Baustellenambiente über die Zukunft der Branche gesprochen und eifrig diskutiert. Egal ob es um neue Idee wie sobooks von Sascha Lobo ging, oder um die besten Möglichkeiten sich selber zu vermarkten, die Baustelle der Zukunft hatte eine Menge zu bieten und wird hoffentlich in den nächsten Jahren zentraler und größer angesiedelt werden.
Wer sich mit der Zukunft der Branche beschäftigt versteht die Verunsicherung der Verleger und der Verbände. Es braucht in der Zukunft vielleicht keine großen Messen mehr, keinen Lobbyverein der sich um die Besitzstände der Branche kümmert und dafür sorgt, dass Leuchtfeuer wie der Friedenspreis verliehen werden können. Die Crowd erledigt heute vieles und auch gerne dezentral. Trotzdem ist es schön auch einen Platz zu haben an dem sich gleichgesinnte Baustellenarbeiter treffen können. Fraglich ist nur, ob es dafür immer eine große Buchmesse braucht.
Skalierbarkeit
Der Wandel ist spürbar und auch sichtbar im verlegerischen Umfeld. Immer öfter interessieren sich Venturefirmen auch für gute Ideen aus dem eher etwas langweiligen Bereich der Buchproduktion, weil diese eben nun auch digital wird und damit schneller und besser skaliert werden kann (Skalierbarkeit ist das Wichtigste überhaupt bei venturefinanzierten Ideen).
Buch wirkt
Trotzdem tummeln sich jedes Jahr und immer wieder tausende von Menschen zwischen den endlosen Reihen der Bücher, denn ein Buch ist etwas ganz einzigartiges und wunderbares. Es ist die Möglichkeit sich ganz alleine auf eine Reise durch die eigene Phantasie zu begeben, bei der Autoren uns ihre Hand als Reiseführer reichen. Wir können etwas lernen aus Sachbüchern und mit Kochbüchern uns selbst und viele Gäste genüsslich verzaubern. Ein schöner Bildband wird nie durch einen Bildschirm zu ersetzen sein, weil das Bild auf dem gedruckten Papier immer anders wirken wird.
Der hybride Leser
Es wird in der Zukunft, meine bescheidene Meinung, viele Hybridleser geben. Menschen die ihren eReader haben und sich die Urlaubslektüre flach und handlich in den Koffer stecken, statt am Schalter der Fluggesellschaft wegen der fantastischen Romane im Koffer einer Gepäckzuschlag zu lösen. Zuhause werden wir Bücher als Einrichtungegenstände verwenden und die Weihnachtsgeschichte unter dem Weihnachtsbaum nicht vom Kindel ablesen.
Vielleicht wird am Ende der Digitalisierung in der Verlagswelt sogar wieder mehr Papier bedruckt, weil immer mehr Menschen die Möglichkeit bekommen ihre Geschichten digital zu publizieren und dann doch eines schönen Tages als echtes Buch das Licht der undigitalen Welt erblicken.
Die Zukunft von morgen könnte ein #selfpub sein
So verändert sich die Welt und was damals auf dem Index stand gehört heute zum breiten Angebot vieler Verlage, manchmal noch etwas versteckt, aber wer genau hinschaut, der kann feststellen, dass Sex more sells than ever – 50 Shades sei Dank, wird sich mancher Verleger denken und vom Literaturnobelpreisträger träumen. Der könnte aber evtl. schon gerade auf einem der Stühle in Halle 3.1 sitzen und sich Gedanken über seinen ersten digitalen Roman machen und dabei noch freundlich vom Großverleger belächelt werden. Vielleicht muss sich die Verlagsbranche auch einmal darüber Gedanken machen.
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[…] und wie dieser auf der Frankfurter Buchmesse (#fbm14) zu spüren ist, habe ich heute bei blogg.de aufgeschrieben. Da geht es vor allem un die Themen Selfpublishing und wie sich die Verlagswelt noch […]