Erst vor ein paar Tagen habe ich etwas über den Börsenverein und sein Verhältnis zu amazon geschrieben, dabei ging es um die Kartellklage in Bezug auf das marktwirtschaftliche Verhalten des Onlineversenders bei seinen Preisverhandlungen mit Verlagen. Der Börsenverein klagt das Verhalten des amerikanischen Onlinebuchhändlers an, weil er aus Sicht des Verbandes der Verleger und Buchhändler „erpresserisch“ arbeitet.
Das Wort Erpressung benutzt der Chef der Buchlobby Alexander Skipis in einem aktuellen Interview mit dem Journal Frankfurt. Warum ein Stadtmagazin einen zweiseitigen Bericht über die Ansichten einer Lobbygruppe veröffentlichen muss ist für mich fraglich, aber da der Verband in Frankfurt ansässig ist, gibt es wohl tatsächlich eine lokale Verbindung.
Alexander Skipis, ehemaliger Mitarbeiter von Roland Koch in der Hessischen Staatskanzlei, nennt in seinem Interview keinen einzigen Grund der im Einzelhandel nicht unüblich ist um bei Preisverhandlungen Druck auszuüben: Auslistungen, schlechtere Regalplätze, usw., alles dies sind Mittel die im Handel schon immer genutzt werden und auch der stationäre Buchhandel ist kein Kind von Traurigkeit wenn es um Rabatte und Werbekostenzuschüsse geht.
Es geht nicht um amazon, es geht um eine Veränderung der Branche, eine Veränderung die der Börsenverein nicht aufhalten kann, es aber offenbar will, oder zumindest von den eigenen Absichten ziemlich gut ablenken kann. Herr Skipis freut sich im Gespräch mit Christoph Schröder vom Journal sehr darüber, dass der stationäre Buchhandel in 2013 um 0,9% zulegen konnte und der Onlinehandel ein Minus zu verzeichnen habe. Mir ist diese Freude ein Rätsel, denn im Onlinehandel liegt ein Teil der Zukunft, es sollte also auch für einen Verbandsgeschäftsführer ein Grund sein sich zu freuen, wenn ein Teil seiner Branche in einem Zukunftsbereich zulegen kann.
Skipis und der Börsenverein schwenken die Fahne der Kultur, wollen aber doch eher ihre eigenen Interessen schützen. Die aufstrebenden Selfpublisher, die Onlineversender und App-Entwickler sind nicht so heiß auf eine Mitgliedschaft in einem Verband der ihre Interessen eher bekämpft, statt sie zu fördern. Amazon ist nicht ohne Grund kein Mitglied des Börsenvereins, gerüchteweise sollen sie dies einmal kurzfristig gewesen sein, aber dann merkte die Buchtruppe aus Seattle und München wohl bald wie sehr sie nicht gemocht werden.
Für den Börsenverein sind die Mitglieder das wichtigste Gut, denn sie bezahlen die Zeche des Verbands und sorgen dafür, dass Skipis und sein Team einen Job haben. Nur es treten nicht so viele neue Mitglieder in den Verein ein, wie austreten, oder einfach wegen Geschäftsaufgabe oder Tod ihre Mitgliedschaft beenden. Von 1992 bis 2012 hat der Verband ca. 300 Mitglieder verloren, wobei dies nicht so dramatisch klingt, wie es ist. 1992 hatte der Verband nur knapp 5.800 Mitglieder, aber gegen Ende der neunziger Jahre zahlten 7.093 Verlage und Buchhändler Beiträge an den Börsenverein, danach ging es steil bergab. Und selbst die neuen Mitgliederzahlen sind leicht geschönt, denn neben den früheren Mitgliedern dürfen nun auch internationale Kunden beim „deutschen Verband“ Mitgliedsbeiträge bezahlen, dazu kommen noch sogenannte korrespondierende Mitglieder. (Quelle: Börsenverein)
Wenn aus der Frankfurter Braubachstrasse also der Banner der Kultur hochgehalten wird und amazon eine erpresserische Zerschlagung der filigranen Kulturvermittlung in Deutschland vorgeworfen wird, dann steckt dahinter eine gehörige Portion wirtschaftliches Eigeninteresse und nicht nur kulturpolitischer Erhaltungstrieb.
Ein weiterer Beweggrund sich stark gegen amazon, aus den Beiträgen der Mitglieder finanziert, zu positionieren könnte das Portal libreka sein. Diese e-book-Portal wird von einer Wirtschaftstochter des Börsenverein betrieben, der MVB. Der Geschäftsführer, ein Ex-Amazon-Mann, versucht, meist vergeblich, das Portal nach vorne zu bringen.
Libreka beschreibt sich selbst wie folgt:
libreka! ist die große E-Book-Plattform für den deutschsprachigen Raum – mit einem umfassenden Leistungsangebot, das von der Information über die Möglichkeit zum Reinlesen in Bücher bis zum Kauf von E-Books und gedruckten Büchern reicht. 2.507.440 Bücher aus über 2.040 Verlagen mit über 50 Millionen Buchseiten stehen für die Suche zur Verfügung und 1.095.203 E-Books zum Kauf bereit. Wer als Leser Bücher sucht, ist bei libreka! an der richtigen Adresse.
Auch wenn immer wieder abgestritten wird, dass Geld aus dem Verein zur Stützung von libreka verwendet wird, die Eigeninteressen am wirtschaftlichen Erfolg eines Tochterunternehmens wird selbst der Börsenverein nicht abstreiten können. Da hilft es eben, wenn ein Mitbewerber aus der kulturpolitischen Ecke angegriffen werden kann und nicht direkt von der MVB, bzw. libreka.
Bei Skipis heißt es im Interview es würde nun das hässliche Antlitz von amazon zum Vorschein kommen. Fraglich ist für mich was beim Börsenverein noch alles zum Vorschein kommt, wenn die Medien und die Mitglieder nochmal genauer nachfragen warum der Verbandsgeschäftsführer sich öffentlich über den Misserfolg des Bereich Onlinebuchhandel freut und sehr stark auf das traditionelle Geschäft fokussiert. Wird hier nicht die Zukunft verspielt? Könnte eine Zusammenarbeit nicht eher eine Dividende auszahlen, statt eine Klage zu führen. Vielleicht könnte ja einer der bösen Online den libreka-Leuten auch mal erklären wie Meta-Tags angelegt werden, dann da geht das Dilemma ja schon los….
In anderen Branchen tobt der gleiche Kampf, Online gegen Tradition. Nicht nur in Deutschland steht der Handel schon lange vor einer großen Herausforderung, aber mit Häme auf einen Bereich der eigenen Branche zu schauen ist ziemlich arrogant und könnte nach hinten losgehen. Dirk Würtz hat in einem spannenden Blogbeitrag die Digitalisierung und die Chancen daraus für die Weinbranche beschrieben. Wein ist auch ein Kulturgut, aber hier wird eher versucht zusammenzuarbeiten und voneinander zu lernen. Ein ganz guter Ansatz, wie ich finde.
1 Comment
Schöner Kommentar. Die Branche ist ganz schön arrogant geworden. Aber es braucht auch oft Neulinge, wie man auch im Musikmarkt mit Apple iTunes gesehen hat, die verkrustete oligopolistische Strukturen aufbrechen!